Niklas, du warst zwischen Oktober 2020 und April 2021 an der Aalto University in Finnland im Rahmen eines Auslandssemesters. Bevor du von deinen Erfahrungen im Ausland erzählst, könntest du vielleicht ein paar Wörter über dich und dein Studium an der Technische Universität Darmstadt sagen?
Ich studiere im Master Mechatronik und habe die Vertiefung „Mechatronic Drives“ gewählt, da mich elektrische Antriebsstränge begeistern. Mein besonderes Interesse dabei gilt sowohl der Energiespeicherung als auch der Betrachtung auf Systemebene. Denn nur durch das optimale Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten kann man ein möglichst effizientes System entwickeln. Erste praktische Erfahrungen in diesen Bereichen konnte ich durch Projekte an der TU Darmstadt, ein Praktikum und einen Job als Werkstudent sammeln.
Du hast deine Masterarbeit an der Aalto University absolviert. Was war Thema der Arbeit und welche möglichen Anwendungen könnte diese haben?
Im Rahmen meiner Arbeit habe ich mich mit der optimalen Steuerung des Energiesystems einer mit Brennstoffzelle und Batterie betriebenen Fähre beschäftigt. Ich habe ein Längsdynamikmodell der Fähre so formuliert, dass ein konvexes Optimierungsproblem, welches mithilfe von „State of the Art“- Algorithmen schnell und global optimal gelöst werden kann, entstanden ist. Der Fokus lag dabei auf der ortsdiskreten, konvexen Modellbildung von Propeller, Längsdynamik und Energiesystem. Das war für mich sehr spannend, da ich mich zuvor weder mit Schiffen noch mit konvexer Optimierung auseinandergesetzt hatte. Allerdings war das Nutzen von konvexer Optimierung aufgrund der schnellen Lösbarkeit ein essentieller Teil des Projekts. Durch diese schnelle Lösbarkeit ist es denkbar, das von mir formulierte Modell auf echtzeitfähiger Hardware in Kombination mit Modellprädiktiver Regelung zu implementieren und so den Energieverbrauch von Fähren zu reduzieren.
Wie findest du die Aalto University in der Fachrichtung Mechatronik? Was steht an der Aalto University forschungsmäßig besonders im Vordergrund?
In der Forschungsgruppe, bei der ich gearbeitet habe, waren meiner Wahrnehmung nach die wesentlichen Themen Machine Vision in verschiedenen Anwendungsbereichen und Energieeffizienz bei elektrischen Fahrzeugen sowie Schiffen. Allerdings wurde während meiner Zeit dort oft über neue Forschungsschwerpunkte diskutiert, sodass in nächster Zeit weitere Themen dazu kommen oder sich der Fokus ein wenig verschiebt.
Du warst in Finnland während der Corona-Pandemie. Diese Ausnahmesituation hat bestimmt Einschränkungen miteingebracht. Wie hast du diese erlebt?
Zunächst sollte ich erwähnen, dass die Einschränkungen in Finnland weniger strikt waren als in Deutschland. Dadurch war es für mich für einen großen Teil meiner Zeit dort möglich, Volleyball und Kanupolo zu spielen, bouldern zu gehen, Restaurants zu besuchen oder innerhalb Finnlands zu reisen. Natürlich musste ich dabei Abstriche machen, aber Finnland bietet durch seine großartige Natur genug Möglichkeiten, sich abseits von großen Menschenmengen und vor allem im Freien zu beschäftigen.
Wie war die Erfahrung an einer ausländischen Uni zu studieren? Konntest du schon Unterschiede zwischen dem Studium in Deutschland und Finnland identifizieren?
Von dem eigentlichen „Universitätsalltag“ bzw. Vorlesungsbetrieb habe ich nicht viel mitbekommen, da ich nur meine Thesis geschrieben und einen Sprachkurs belegt habe. Ein Unterschied, den man vermutlich insbesondere zu spüren bekommt, wenn man seine Masterthesis dort schreibt, ist das engere Verhältnis von Professoren, Doktoranden und Studierenden.
Hoffentlich hattest du dir auch Zeit genommen, um in Finnland ein bisschen herumzureisen. Wie findest du Finnland von der Landschaft her?
Landschaftlich trifft die Beschreibung Finnlands als „Land der tausend Seen“ auf jeden Fall zu. Mir persönlich hat die Kombination aus Seen und Wäldern dort sehr gut gefallen und auch der Verlauf der verschiedenen Jahreszeiten hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Insbesondere die Winterlandschaft mit kniehohem Schnee bei strahlendem Sonnenschein hat mir gefallen.Das Tolle an Espoo bzw. Helsinki ist, dass man für einen Ausflug in die Natur noch nicht einmal weit fahren muss. Innerhalb von etwa einer Stunde ist man mit Bus und Bahn von Espoo aus im Nuuksio Nationalpark – definitiv mehr als einen Besuch wert.
Was würdest du Studierenden, die ein Auslandsemester in Finnland planen, empfehlen?
Beginnt am besten etwa ein Jahr vor dem geplanten Beginn eures Auslandsaufenthalts euch auf der Website eures Fachbereichs und der des Referats für Internationale Beziehungen zu informieren. Dort findet ihr alle relevanten Informationen und Termine. Außerdem könnt ihr dort auch die Erfahrungsberichte anderer Studierender lesen, die bereits an der entsprechenden Universität oder zumindest in dem entsprechenden Land waren.
Das Interview führte Panagiotis Mouratidis.